Offener Brief: Zur Neuen Musik
11.12.2008
Offener Brief zur Lage der Neuen Musik:Sehr geehrter Herr Staatssekretär Schmitz,
über die Initiative Neue Musik e.V. und andere Akteure der neuen Musik in Berlin hat der Rat für die Künste davon erfahren, dass die Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten im Haushaltsjahr 2009 für ein Marketingprojekt einen Betrag von 100.000€ bereitstellen will, der als Kofinanzierungsanteil bei einer möglichen EFRE-Förderung dazu dienen soll, Projekte der neuen Musik besser zu kommunizieren und zu verbreiten. Allerdings soll dieser Betrag aus der bestehenden Projektförderung neuer Musik aufgebracht werden.
So sehr dem Grunde nach jede Maßnahme zu begrüßen ist, durch die zeitgenössische Musik in Berlin besser beworben und professioneller kommuniziert werden kann, so halten wir die Finanzierung aus den wenigen vorhandenen Mitteln der spezifischen Projektförderung nachgerade für kontraproduktiv, denn der eigentliche Mangel liegt in dem viel zu geringen Förderungsbetrag für diesen Bereich. Durchaus vergleichbar mit dem rasanten Aufschwung in der Bildenden Kunst hat sich die zeitgenössische Musik in Berlin in den Jahren nach dem Mauerfall ähnlich reichhaltig und vielfältig entwickelt. Man kann mit Fug und Recht von einem kräftigen Boom in der neuen Musik in Berlin sprechen. Es hat sich in den letzten Jahren eine reichhaltige Szene von professionell arbeitenden Veranstaltern, Festivals und Ensembles neuer Musik etabliert, und es hat sich parallel dazu eine fruchtbare Landschaft diverser musikalisch-ästhetischer Positionen und ihrer dazugehörigen kulturellen Sphären entwickelt. Der Aufschwung der neuen Musik und die Professionalität der Arbeit zeigen sich u.a. darin, dass sich die Publikumszahlen dieses zugegebenermaßen nicht gerade „leichtverkäuflichen“ Bereichs außerordentlich positiv entwickelt haben. Dies gilt nicht für Festivals, sondern auch für einzelne Veranstaltungen. Es ist nicht übertrieben festzustellen, dass Be Berlin derzeit die weltweit lebendigste Szene neuer Musik lin aufweist. Jedenfalls blickt das Fachpublikum aller Couleur von außen voller Bewunderung auf diese Entwicklung und auf die hohen Publikumszahlen. Eine ganze Reihe jüngerer Komponistinnen und Komponisten, Musikerinnen und Musiker aus Berlin sowie Berliner Ensembles und Veranstalter genießen mittlerweile überregionalen und internationalen Ruf. Nicht zuletzt zeigt auch der Zuzug zahlreicher internationaler Komponisten, wie attraktiv Berlin für ihre Arbeit derzeit ist. Die Szene neuer Musik hat sich positiv entwickelt, obwohl die Fördermittel und Förderinstrumente, die zur Verfügung stehen, mit diesem Entwicklungstempo bei weitem nicht Schritt gehalten haben. Einzig der Hauptstadtkulturfonds hat Wesentliches dazu beigetragen, dass auch größere Projekte Realisierungschance bekommen haben. In dieser Situation wirkt es einigermaßen absurd, wenn nun eine Marketingmaßnahme aus den wenigen vorhandenen Projektförderungen finanziert werden soll. Durch das beispielgebende Modell der Initiative Neue Musik maßgeblich unterstützt, sind die freien Projekte der neuen Musik mittlerweile in den meisten Fällen auf einem hohen professionellen Standard. Allerdings sind angesichts der knappen Mittel die Spielräume für werbliche Maßnahmen oft viel zu gering. Die INM leistet hier seit Jahren durch ihre hervorragend aufgemachte zweimonatige Publikation „Neue Musik in Berlin“ und ihre Website, aber auch durch Beratung eine wichtige Unterstützung des Marketing Es ginge es also darum, für das Marketing zusätzliche Mittel projektbezogen bereitzustellen. Abgesehen davon, dass die Arbeitsweise und die funktionale Zielstellung der vom Senat geplanten zentralen Marketingmaßnahme bisher äußerst vage beschrieben ist, müssten aus unserer Sicht die Mittel entweder den Projekten direkt zukommen oder eng an die INM angebunden werden. Auch dürfen wir daran erinnern, dass mit dem über das Netzwerk Neue Musik e.V. geförderten Projekt „ohrenstrand.net“ bereits ein Projekt senatsseitig aus Fördermitteln unterstützt wird, dessen Hauptzweck die Herstellung einer breiten Kommunikations- bzw. Marketingplattform und die Vernetzung verschiedener Projekte darstellt. Der Rat für die Künste bittet Sie eindringlich, die geplante Maßnahme noch einmal zu überdenken und sich eng mit der INM abzustimmen, denn es kann nicht sein, dass eine Verbesserung des Marketings durch eine Beschneidung des Reichtums der Neue Musik-Landschaft erkauft wird. Für uns ist es bislang nicht erkennbar, wie unter den gegebenen Bedingungen die jetzt geplante Marketingmaßnahme für den Bereich neuer Musik produktiv wirken könnte. Wenn überhaupt, so sollten diese Mittel zusätzlich zu den bestehenden Förderungen aufgebracht werden.
Für Gespräche im Zusammenhang mit diesem Thema stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen GrüßenRat für die Künste
Leonie Baumann, Bernd M. Scherer